In unserer Revival-Zeit, in der Schlager, die RAF und ´68 eine Re-Interpretation erfahren, in der Rocklegenden wiederauferstehen und Grammys erhalten, in der Aldi einen Kultstatus hat und die Wienerwald-Hendl in den Startlöchern scharren (während die >Titanic< aus der "legendentriefenden und frittierfettumrankten Autobiographie" Friedrich Jahns zitiert), kommen diese Texte gerade recht. Der Pop-Poet, DJ und Musiker Thomas Meinecke (geboren 1955) hat sie zwischen 1977 und 1986 veröffentlicht, zumeist in der selbst gegründeten anarcho-fidelen Zeitschrift "Mode und Verzweiflung".
Diese Texte sind ein bißchen das, was etwa zeitgleich Max Goldt zur Perfektion getrieben hat: Flusensiebe des Zeitgeistes, Zeugnisse dessen, was hängen bleibt, wenn die Schlagzeilen der 80er Jahre, Themen, Impulse und Tendenzen durch ein Erzählertuch geseit werden, patchworkartige Momentaufnahmen und Fortschreibungen unserer Kulturindustrie. Die besten ihrer Art, zum Beispiel "Hahn im Korb" oder "Drei Todesanekdoten", haben einen fernen Wink von Boccaccios "Decamerone" bekommen und führen ein respektloses Erzählerkollektiv vor. Von rätselhafter Aktualität ist die Novellette "Ein Student verliebt sich". Sie erzählt eine frühe, vom >Leben< inzwischen eingeholte Variante der kurzen Liaison Dieter Bohlens mit Verona Feldbusch: Ein Student verliebt sich in eine Schaufensterpuppe, heiratet dann aber doch lieber eine deutsche Hausfrau.
Wir leben in einer Welt, die mit Substituten und Konserven abgeschlossen hat, die Mutters gute Küche McDonald´s vorzieht. Davon erzählt Thomas Meinecke auf aparte Weise.
LUTZ HAGESTEDT
THOMAS MEINECKE: Mode & Verzweiflung. Suhrkamp Taschenbuch Verlag, Frankfurt/M. 1998. 130 Seiten, 12,80 Mark.